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Antibiotika bei Babys und Kleinkindern

Von |2024-03-18T19:07:10+01:00November 14th, 2021|Kategorien: Mikrobiom|Tags: , |
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Das infantile Darm-Mikrobiom entscheidet über ein langes Leben

Wer zu früh mit Antibiotika behandelt wird, kann nachhaltige Einschränkungen seiner Gesundheit davontragen. Forscher verabreichten sehr jungen Mäusen Antibiotika und verfolgten ihre gesundheitliche Entwicklung über einen Zeitraum von 700 Tagen. Wie das Mikrobiom, das sich nach der Behandlung wieder etabliert im Detail aussieht, hängt vom Zufall ab, entscheidet aber darüber, wie Immunsystem und Stoffwechsel arbeiten und hat einen deutlichen Einfluss auf die Lebenserwartung:

Antibiotika sind ein Segen und ein Fluch zugleich

Die Karriere der Antibiotika begann 1928, als Alexander Fleming seine Staphylokokkenkultur verschimmeln ließ. Er entdeckte Hemmhöfe rund um den Pilz, die das Bakterienwachstum verhinderten. Den Bakterien tötenden Stoff nannte er Penicillin. In den folgenden Jahren wurden weitere Antibiotika entdeckt und erforscht und heute zählen sie zu den am meisten verschriebenen Medikamenten.

Antibiotika wurden und werden allzu sorglos verschrieben, obwohl man inzwischen weiß, dass ihr Einsatz kein reiner Segen ist. Zum einen verbreiten sich unter den Bakterien Resistenzen, die sie immun gegen das tödliche Gift machen. Zum anderen wurde in jüngster Vergangenheit klar, wie immens wichtig unser Darm-Mikrobiom für unsere Gesundheit ist. Und das besteht hauptsächlich aus Bakterien. Jedes Mal, wenn eine Bakterieninfektion mit einem Antibiotikum behandelt wird, hinterlässt das einen Kahlschlag in der Gesellschaft der Darmbakterien, von dem sie sich nicht so schnell erholt.

Nach einer Antibiotikabehandlung wird das Mikrobiom nie wieder so, wie es einmal war, fürchten Forscher heute. Die Artenvielfalt nimmt dauerhaft ab und es entwickeln sich Dysbiosen, die mit einem erhöhten Risiko von verschiedenen Krankheiten wie Diabetes oder Fettleibigkeit einhergehen: Typische Zivilisationskrankheiten.


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Das Darm-Mikrobiom entscheidet über die Lebenserwartung

In letzter Zeit wird auch klar, dass die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms einen Einfluss auf die Lebenserwartung hat. Eine große Artenvielfalt und ein hoher Anteil bestimmter Bakterien, Blautia, Clostridia oder Lachnospiraceae lassen mittlerweile auf ein langes Leben schließen.

Die Zusammenhänge zwischen Darm-Mikrobiom und Lebenserwartung wurden bisher hauptsächlich an Wirbellosen erforscht. Dort zeigte sich, dass eine Zunahme bestimmter Bakterien im Darm der Fruchtfliege Drosophila melanogaster die Darmbarriere schwächt, einen Anstieg entzündungsfördernder Cytokine hervorruft und die Lebenserwartung sinkt.

Untersuchungen an Fischen und Mäusen zeigten, dass die Lebenserwartung älterer Exemplare steigt, wenn ihnen das Mikrobiom jüngerer Artgenossen transplantiert wird. Die typische altersbedingte Abnahme der Artenvielfalt blieb bei ihnen aus.

Insgesamt ist klar, dass das Mikrobiom eine Rolle bei der Regulation der Lebenserwartung spielt. Wir wissen auch, dass Antibiotika die Zusammensetzung des Mikrobioms nachhaltig verändern. Besonders bei Kleinkindern, deren Darm-Mikrobiom sich noch in der Entwicklung befindet, können Antibiotika großen und dauerhaften Schaden anrichten.
Die Autoren der vorliegenden Studie hat nun interessiert, welchen Einfluss eine Antibiotikagabe im frühesten Kindesalter auf die Entwicklung des Darm-Mikrobioms hat und welche Prognose für die Lebenserwartung gestellt werden kann.

Mäuse, Antibiotika und Mikroben

Dazu führten Sie Experimente mit Mäusen durch. Trächtigen Weibchen wurden im letzten Drittel der Schwangerschaft und während der Säuglingszeit Antibiotika verabreicht. Nach der Entwöhnung wurde den Jungen eine Kontrollgruppe zur Seite gestellt, die nie mit Antibiotika in Kontakt gekommen war. Die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms der verschiedenen Gruppen wurde anhand von 16S-RNA Sequenzierung aus Stuhlproben ermittelt. Anhand dieser Sequenzen kann die Artzugehörigkeit bestimmt werden.

Die antibiotikabehandelten Mäuse wurden anschließend mit verschiedenen künstlich zusammengestellten Bakteriengesellschaften rekolonisiert. Die erste Gruppe erhielt eine Mischung aus Erysipelotrichaceae und Enterokokken, die zweite erhielt einen Mix aus Lachnospiraceae, darunter Blautia uns Coprococcus, zwei Gattungen, die eher für ein langes Leben stehen.

Wie zu erwarten war, gab es deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmbakterien der beiden Gruppen. Die Forscher fanden heraus, dass die Artenvielfalt in beiden antibiotikabehandelten Gruppen stark reduziert war, wobei ungewöhnlich viele pathogene vorhanden waren. Außerdem stellte sich heraus, dass die bakteriellen Stoffwechselleistungen sich deutlich unterschieden (was kein Wunder ist, denn die Mäuse wurden ja mit verschiedenen Bakterien rekolonisiert.).

Die Langzeitfolgen der Antibiotikabehandlung

Nun richteten die Forscher ihren Blick darauf, welche Langzeitfolgen die unterschiedlichen Darm-Mikrobiome mit sich bringen. Die Antibiotikabehandlung konnte man in den entsprechenden Gruppen bis zu 48 Wochen lang am Mikrobiom erkennen. Das ist ein ganzes Mäuseleben. Erst nach 72 Wochen hatten sich die Darm-Mikrobiome der behandelten Gruppen vollkommen regeneriert und unterschieden sich nicht mehr von der Kontrollgruppe. Wenn sich im späteren Leben nun Unterschiede zwischen den Gruppen entwickeln sollten, müsse das an der Antibiotikabehandlung im frühen Alter liegen, denn das war der einzige Unterschied im Leben der Mäuse.

In der Leber der antibiotikabehandelten Mäuse aus beiden Gruppen fand man im Vergleich zur Kontrollgruppe im Alter deutliche Unterschiede in der Expression der Gene von Stoffwechselwegen und Immunreaktionen, die einen Einfluss auf die Lebenserwartung haben.

Interessanterweise entwickelte die zweite Gruppe, die mit den „guten“ Bakterien rekolonisiert worden war, die meisten gesundheitliche Probleme. Die Mäuse aus dieser Gruppe hatten eine deutlich reduzierte Lebenserwartung und mehr als die Hälfte starb vor dem Ende des Experiments.

Die Mäuse aus dieser Gruppe hatten auch eine deutliche Insulinresistenz entwickelt, obwohl sich die Insulinspiegel selbst nicht von denen anderer Gruppen unterschieden. Die Ursache dafür könnte sein, dass sich bei diesen Mäusen im hohen Alter auch die Entzündungswerte änderten. Vor allem ein Anstieg eines bestimmten Interleukins, dass mit einer gestörten Wahrnehmung des Insulinsignals in Verbindung gebracht wird, stieg deutlich an.

Im Gehirn der gebeutelten Mäuse fanden die Forscher deutlich mehr Mikrogliazellen. Das sind die Immunzellen des Gehirns und ihre Zahl steigt, wenn sich Entzündungen entwickeln.

Fazit:

Insgesamt schlussfolgern die Forscher, dass die weitere gesundheitliche Entwicklung und Lebenserwartung bei einer frühzeitigen Interruption des Darm-Mikrobioms durch Antibiotika davon abhängt, welche Bakterien das verlorene Terrain zurückerobern. In dieser frühen Lebensphase scheinen sich die Weichen zu stellen die den weiteren Lebensweg zu bestimmen. Wer Pech hat gewährt einer Bakteriengesellschaft Einzug, die die Lebenserwartung deutlich reduziert. Das ist natürlich besser, als sofort an einer Bakterieninfektion zu sterben, wäre aber auch ein guter Grund, Schwangere und Kleinkinder von Antibiotika fernzuhalten.


Quelle: Lynn MA, Eden G, Ryan FJ, et al. The composition of the gut microbiota following early-life antibiotic exposure affects host health and longevity in later life. Cell Rep. 2021;36(8):109564. doi:10.1016/j.celrep.2021.109564

Bildquelle: (c) Adobe Stock, sleeping newborn baby, Von Ramona Heim

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AUTORIN

Dr. Evelyn Zientz

KATEGORIE

Mikrobiom

GEPOSTED AM

19. November 2021

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