Künstliche Süßstoffe – Fluch oder Segen?
Von Dr. Evelyn Zientz
Wir lieben süßen Geschmack, aber zu viel Zucker ist nicht gesund. Was ist die Entdeckung künstlicher Süßstoffe dann doch für ein Segen. Dank ihr können wir nach Herzenslust unserem Hunger nach Süßem nachgeben, ohne uns vor negativen Folgen fürchten zu müssen. Aber diese Rechnung haben wir ohne unser Darm-Mikrobiom gemacht.
Die Besiedlung des Darms mit nützlichen, probiotischen Bakterien ist von entscheidender Bedeutung für seine Gesunderhaltung. Die regelmäßige Zufuhr von “positiven” Darmbakterien unterstützt das harmonische Gleichgewicht der Bakterienstämme, denn pathogene Bakterien und Pilze werden von nützlichen Darmbakterien aus ihrem Lebensraum verdrängt. Abdigan Kapseln wurden speziell zu diesem Zweck entwickelt. Sie bieten ein großes Spektrum an hochdosierten Lebendkulturen, die in einer gesunden Darmflora vorkommen. Mit nur einer Kapsel pro Tag leisten Sie so einen entscheidenden Beitrag für Ihre Darmgesundheit. Mehr Info… (gesponsert)
Die Bakterien, die unseren Darm besiedeln, haben in fast jeder Beziehung ein Wörtchen mitzureden, wenn es um unsere Gesundheit geht. An fast allen Krankheiten, die uns heimsuchen, scheint das Darm-Mikrobiom beteiligt zu sein. Die Darmbakterien pflegen die Darmbarriere, stärken das Immunsystem, produzieren wichtige Verbindungen, kommunizieren mit anderen Organen und beeinflussen deren Funktion.
Ein gesundes Mikrobiom ist enorm wichtig und durch die Ernährung haben wir großen Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms. Wir unterstützen die „guten“ Bakterien und vertreiben damit die „schlechten“. So können wir gegenseitig von dieser Symbiose profitieren.
Ein bisschen ähneln unsere Darmbakterien aber auch dem Wolf im Schafspelz: Sie warten nur darauf, uns eins auswischen zu können um sich einen besseren Lebensplatz, vielleicht im Inneren unseres Körpers, zu suchen (denn genau genommen handelt es sich beim Verdauungstrakt um eine Körperoberfläche wie die Haut). Und dabei kann ihnen künstlicher Süßstoff ziemlich hilfreich sein.
Süßstoffe verwandeln harmlose Kommensale in potentiell pathogene Bakterien
Forscher untersuchten gängige, künstliche Süßstoffe hinsichtlich ihres Einflusses auf unsere Darmflora. Sie stellten dabei fest, dass diese unnatürlichen Substanzen sich ziemlich deutlich auf das Verhalten der Bakterien auswirken. Das Wachstum beeinflussen sie insgesamt nicht, aber die Bakterien entwickeln plötzlich eine Vorliebe für die Bildung von Biofilmen. Biofilme sind wahrscheinlich maßgeblich an der Entwicklung entzündlicher Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa beteiligt.
Auch zeigten die Bakterien eine starke Neigung zur Adhäsion und Invasion in die Zellen des Darmepithels. Sie schwächten damit die Lebensfähigkeit dieser Zellen, waren also zytotoxisch. Insgesamt nahmt die Dicke der Schleimschicht durch das aggressive Verhalten der Bakterien ab. Bakterien, die die Darmbarriere überwinden, können im Blutkreislauf oder anderen Organsystemen großen Schaden anrichten. Es drohen zumindest versteckte Entzündungen, die die Entwicklung verschiedener Krankheiten vorantreiben können. Im schlimmsten Fall kann die Infektion zu Blutvergiftung mit Organversagen führen.
Zinksulfat hebt die Wirkung des Süßstoffes auf
Die verschiedenen Süßstoffe sind, chemisch betrachtet, sehr unterschiedliche Verbindungen.
Wie können sie dann weitgehend dieselben Reaktionen hervorrufen? Aspartam ist ein Dipeptid, das aus zwei Aminosäuren besteht, die ganz normale Bestandteile von Proteinen sind. Sucralose ist ein Doppelgänger von Sucrose, also Haushaltszucker, bei dem einige typische Gruppen durch Chlorreste ersetzt sind. Saccharin wird aus Toluol (auch Methylbenzol oder Phenylmethan genannt) hergestellt. Es zählt zu den Sulfonamiden, die früher als Antibiotika verwendet wurden.
Das Einzige, was diese Verbindungen gemeinsam haben, scheint der süße Geschmack zu sein. Aber es ist generell anerkannt, dass Bakterien keine Geschmacksrezeptoren haben (obwohl sie natürlich über Chemorezeptoren verfügen).
Die Forscher wollten aber schon wissen, auf welche Weise die Bakterien die Wirkung der so unterschiedlichen Verbindungen umsetzen. Sie verwendeten dazu Zinksulfat. Das ist ein Salz der Schwefelsäure, das die Wahrnehmung von bitterem, aber auch süßem Geschmack hemmt.
Sie stellten fest, dass Zinksulfat allein das Wachstum, die Biofilmbildung oder adhäsive und invasive Eigenschaften der Bakterien nicht beeinflusst. Zusammen mit Süßstoffen ist Zinksulfat aber in der Lage, alle durch den Süßstoff vermittelten Effekte aufzuheben oder abzuschwächen. Das legt nahe, dass hier ähnliche Mechanismen aktiv sind.
Süßstoffe verbreiten Antibiotikaresistenzen
Die Verbreitung multiresistenter Bakterien stellt eine große Bedrohung nicht nur für die menschliche Gesundheit dar. Im Allgemeinen macht man für die Verbreitung der Resistenzen den allzu sorglosen Umgang mit Antibiotika verantwortlich. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Nicht nur direkte Überlebende tragen zur Verbreitung bei. Zwischen den Bakterien besteht ein reger Austausch der so nützlichen, weil für sie lebensrettenden Bauanleitungen. Und künstliche Süßstoffe scheinen einiges dazu beizutragen.
Süßstoffe können die DNA der Darmbakterien schädigen. Und zwar so sehr, dass diese den Notstand ausrufen und eine so genannte SOS Antwort einleiten. Das ist ein DNA Reparaturmechanismus, der bei größeren Schädigungen, etwa durch Hitze oder ionisierende Strahlung, eingeleitet wird und sehr ungenau arbeitet. Als Folge kann es also zu Mutationen kommen, aber das ist noch nicht das größte Problem.
Im Rahmen der SOS Antwort wird ein Mechanismus gestartet, der als Konjugation bezeichnet wird. Dabei wird DNA von einer Bakterienzelle auf eine andere übertragen. Das kann innerhalb einer Art, aber auch über die Artgrenzen hinweg geschehen. Übertragen werden dabei mobile genetische Elemente. Und wenn diese die Gene für Antibiotikaresistenzen tragen, werden diese munter in der Bakterienwelt des Darms verbreitet.
Forscher zeigten nun, dass gängige Süßstoffe in tagesüblichen Dosierungen eben diesen Mechanismus auslösen können. Sie untersuchten die Wirkung von Saccharin, Sucralose, Aspartam und Acesulfam K auf die Konjugationsbereitschaft verschiedener Bakterien, maßen die Permeabilität der Zellmembranen und die Konzentration an reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS), die ein Hinweis auf oxidativen Stress sind.
Das Ergebnis: Süßstoffe steigern deutlich die Häufigkeit, mit der Erbmaterial per Konjugation zwischen Bakterienzellen übertragen wird.
Die DNA-Schäden, die künstliche Süßstoffe hervorrufen, versetzen die Bakterien in oxidativen Stress durch ROS. Die Forschungen ergaben, dass es tatsächlich die ROS sind, die die Konjugation anfeuern, denn fängt man sie mit einem Hemmstoff aus dem Versuchsansatz heraus, sinkt auch die Konjugationsrate.
Künstliche Süßstoffe machen außerdem die Zellmembranen durchlässig. Sie greifen dabei in die Expression der relevanten Gene ein und steigern deren Aktivität, so dass schließlich in der Membran mehr Transportproteine zur Verfügung stehen, durch die die fremde Erbmasse ein- oder austreten kann. Die Süßstoffe beeinflussen auch die Genaktivität der zu übertragenden mobilen Elemente und bereiten sie dadurch auf die Reise vor. Eine durchweg runde Sache.
Fazit:
Süßstoff ist viel billiger als Zucker und wird deshalb von der Lebensmittelindustrie gerne verarbeitet. Es sieht so aus, als würde ein genauer Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe unserer Darmgesundheit nicht schaden.
Quellen: Shil, Aparna, and Havovi Chichger. “Artificial Sweeteners Negatively Regulate Pathogenic Characteristics of Two Model Gut Bacteria, E. coli and E. faecalis.” International journal of molecular sciences vol. 22,10 5228. 15 May. 2021, doi:10.3390/ijms22105228
Yu, Zhigang et al. “Nonnutritive sweeteners can promote the dissemination of antibiotic resistance through conjugative gene transfer.” The ISME journal vol. 15,7 (2021): 2117-2130. doi:10.1038/s41396-021-00909-x
Bildquelle: (c) Adobe Stock, bowls with different kinds of sugar on grey table, von Pixel-Shot
AUTORIN
Dr. Evelyn Zientz
KATEGORIE
Mikrobiom
GEPOSTED AM
03. Januar 2022
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